Humanistische Verfahrensgruppe inclusive Gestalttherapie

Leitung:

Dr. phil. Otto Glanzer, Augsburg, DDGAP, DVG, AGHPT
Prof. Dr. med., Dipl. Psych. Lotte Hartmann-Kottek, Kassel, DDGAP

I. Ziele:

- Förderung von Forschung, Lehre und Verbreitung der Humanistischen Verfahrensgruppe- incl. der der Gestalttherapie - sowohl in Deutschland als auch in der Zusammenarbeit mit der internationalen Kollegenschaft. Interessensfelder für Forschungsvorhaben:
a) Prozessuale, individualisierte Forschungsprojekte bzgl. des Therapieverlaufs (Zeitreihen-Analysen)
b) Hirnphysiologische und EEG-gestützte Erforschung des Therapeutischen Beziehungsfeldes
c) Förderung der individualisierten, psychosomatischen Übersetzungsarbeit von Störungsbildern auf den physiologischen Regulationsebenen, der intra- sowie der inter-personellen Ebene
d) Verfahrensübergreifende Kooperationen, z.B. prozessadäquate Angebote zur Erfahrungs-vertiefung, bzw. zur „emotional korrigierenden Erfahrung“
e) Untersuchungen zur Balance des Kontakt-Verhaltens nach innen und außen
f) Interaktionelle Rhythmusforschung zwischen Impulsgeben u. -aufnehmen in der Therapeutischen Beziehung, also der Zusammenarbeit, incl. Verlaufsvariablen im therapeutischen Gesamtverlauf.
g) Ausbildungsforschung, z.B. die Rolle der Selbsterfahrung (nach Quantität und Qualität) für die Merkmale einer erfolgreichen Therapeutenpersönlichkeit (sensu Wampold).
Entsprechend der aktuellen, berufspolitischen Situation in Deutschland sind zunächst Kooperationen mit der ausländischen Kollegenschaft angebracht und angestrebt.

II. Kulturgeschichtlicher Hintergrund:

- Die Psychotherapie spiegelt in ihren Varianten die kulturgeschichtlichen und wissenschaftlichen Präferenzen wider bezüglich der Wertschätzung menschlicher Fähigkeiten, seien sie triebhafter, emotionaler, intuitiver, kognitiver, spiritueller – oder auch polarisierter versus ganzheitlicher Art.
In den vergangenen Jahrhunderten, jedoch verstärkt seit der Aufklärung, brauchte es in Europa die logisch-kognitive Kompetenz sowohl zur Emanzipation aus sozialen und pseudo-religiösen Abhängigkeiten. Sie förderte den analysierenden Blick und damit den naturwissenschaftlichen Entdeckergeist. Das prägte auch gewisse psychotherapeutische Ansätze.
Die Seite der Bezogenheit nach innen und außen, also die Verbundenheit von allem, blieb in dieser Zeit eher im Hintergrund. Inzwischen ist die Bedeutung der Beziehungen sowohl für die Physik wie auch für die psychische, bzw. auch ganzheitliche, Gesundheit des Menschen wieder verstanden worden. Sie wurde ganz aktuell durch die kontextuelle Psychotherapie-Forschung bestätigt. Die Avantgarde dieses überfälligen Aufbruchs hat die jüngeren Psychotherapie-Verfahren geprägt. Wir haben derzeit die Chance, diese beiden Pole in ein ausgewogenes Verhältnis zueinander zu bringen.

III. Psychotherapiegeschichtlicher Verlauf:

- Oben Gesagtes spiegelt sich natürlich auch in der Psychotherapie-Landschaft wider. Konkurrenzkämpfe von Schulen verengten zeitweise den Horizont. Wir haben die Chance, dass wir uns durch die Erfahrungsvielfalt aller gegenseitig bereichern lassen können.
- In der psychotherapeutischen Interaktion wurde das alleinige Beobachten abgelöst durch wertschätzendes Begegnen, das aber dem Beobachten dennoch genügend Spielraum einräumt.
- Auch die Zielvorstellungen änderten sich. Ging es zunächst um Triebintegration, Liebes- und Arbeitsfähigkeit, symptomfreies Funktionieren, - so geht es seit gut einem halben Jahrhundert auch zunehmend um die existentielle Bestätigung des Einzelnen als Subjekt, um psychische Entfaltung des inneren Potentials in kontextueller Achtsamkeit, also um Wachstum und Differenzierung, um die Bedeutung von Beziehung(en) nach innen und außen, um soziale Sicherheit, um heilsame Begegnung, Echtheit, Empathie, um Ressourcenwahrnehmung, um integrierte Körperlichkeit, um Grundbedürfnisse, Emotionen, Kreativität, Selbstwirksamkeit, Perspektiven-, Bezugsystemwechsel und Spiegelungen zwischen Komplexitätsebenen, schließlich auch um Werte, innere Ordnung und Stimmigkeit, ferner um persönliche Verantwortungsfähigkeit, Entscheidungsfreiheit, Würde und Sinn. 

IV. Die Geburt der Humanistischen Verfahrensgruppe:

Die Geburt der Humanistischen Verfahrensgruppe entsprach der Re-Integration desjenigen Pols der menschlichen Natur, der durch die einseitige Wertschätzung von analysierendem Beobachten und logischem Denken relativ ausgegrenzt worden war. - 1962 trat in den USA eine Gruppe von Psychotherapeuten verschiedener humanistischer Prägungen mit ihrem Humanistischen Manifest an die Öffentlichkeit, das zu der damals von ihnen als unzureichend empfundenen, offiziellen Psychotherapie einen Kontrapunkt setzte. - Anzeichen seiner Integration finden sich inzwischen, 60 Jahre später, mehr oder weniger in allen Schulen wieder. 

V. Gestalttherapie:

Gestalttherapie, ein humanistisches Verfahren, dessen Herzstück als bewusste Beziehung nach innen und außen verstanden werden kann, zeichnet sich durch seine natürlich gewachsenen, wertschätzenden Verständnisbrücken zu allen anderen Verfahrensgruppen aus (zur Psychody-namischen, Systemischen, Verhaltenstherapeutischen Gruppe und zu der modernen Traumathera-pie) und könnte als eine integrierende Matrix einer universellen Psychotherapie genutzt werden.

VI. Moderne Psychotherapieforschung:

Sie braucht Neutralität und eine ehrliche, wissenschaftliche Grundhaltung. Obwohl Deutschland ein Rechtsstaat ist, konnte hier die Wissenschaft von Lobbyisten in unredlicher Weise für berufspolitische Vormachts-Interessen als Deckmantel benutzt werden. Die wissenschaftlichen Unstimmigkeiten sind unübersehbar. Aufklärende Korrekturbemühungen laufen. Die nachkommende Generation sollte das unredliche Erbe nicht auf ihre Schultern gelegt bekommen. Es überschattet die konstruktiven Leistungen, die es parallel auch gab und gibt. Eine Rückkehr zur Seriosität ist unserer Kollegenschaft nicht nur zu wünschen, sondern ihr auch zuzutrauen.

VII. Leitung:

Dr. phil. Otto Glanzer, Augsburg, DDGAP, DVG, AGHPT
Prof. Dr. med., Dipl. Psych. Lotte Hartmann-Kottek, Kassel, DDGAP